Die Grabplatten im Turm und im Hauptschiff – Lebensgeschichten aus der Vergangenheit

Die sieben Grabplatten, von denen sich fünf im Turm und zwei Hauptschiff  befinden, weisen darauf hin, dass die St. – Martin – Kirche bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts auch als Begräbniskirche diente. Der begehrteste Platz für die letzte Ruhe war der Altarraum, in dem vornehmlich adlige Personen bestattet wurden.

Weil es immer wieder passierte, dass Abendmahlgäste auf den unebenen Grabplatten stolperten, beschloss der Kirchenvorstand bei der großen Renovierung um 1900, die Grabplatten aufzunehmen und an anderer Stelle zu platzieren.

Zunächst war vorgesehen, sie an den Wänden des Altarraumes aufzustellen. Die Sögelner Bauern aber widersetzten sich. Ihre Vorfahren hatten unter einigen Gutsherren gelitten und wollten nun die Peiniger ihrer Ahnen im Gottesdienst nicht vor Augen haben.

So einigte man sich darauf, nur die schönsten und wichtigsten Grabplatten an den Wänden im Turm aufzustellen.

Lediglich eine der Grabplatten bekam im Hauptschiff einen sichtbaren Platz in der Nische der ehemaligen Ueffelner Tür in der Nähe der Kanzel, die zu der Zeit an der Nordwand ihren Platz hatte. Es ist die Grabplatte von Pastor Johannes Ostendorf, der hier während des 30jährigen Krieges im lutherischen Geist wirkte.
Nachdem er im Herbst 1645 zu einem Krankenabendmahl nach Rieste gerufen wurde, konnte der Pastor sich auf dem Rückweg nur durch Flucht in den überschwemmten Masch vor einer kaiserlichen – also feindlichen – Truppe retten. Nach stundenlangem Waten im kalten Wasser erkrankte er und starb am 8. April 1646. Er wurde neben dem Altar auf der Seite beigesetzt, an der den Abendmahlgästen der Kelch gereicht wurde. Darum ist dieser Grabstein auch so abgetreten. Bei starker Ausleuchtung ist Johannes Ostendorf in Lebensgröße mit einem Kelch zu erkennen. In lateinischer Schrift ist der Spruch aus Johannes 3, 16 zu lesen: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Außerdem sind sein Name und seine Lebensdaten zu erkennen.

Wohl aus Platzmangel kam die Grabplatte von Hinrich Engelbert von Langen und seiner ersten Ehefrau Sibille Agnese, geborene von Westerholt, etwas versteckt unter die Orgelempore. Die Inschriften berichten, dass Hinrich Engelbert von Langen am 5. Mai 1675 im Alter von 46 Jahren gestorben ist.
Seine Frau Sibille Agnese ist am 9. April 1660 bei der Geburt ihres Kindes gestorben. Einer der Bibelsprüche (1. Timotheus 2, 15) auf der Grabplatte weist darauf  hin:
“Das Weib wird selig durch Kinderzeugen, so sie bleibt im Glauben und in der Liebe und in der Heiligung samt der Zucht.“
Der andere Spruch auf dem Grabstein stammt aus Psalm 4, 9: „Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein du, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne“.
Auf diesem Grabstein und einem weiteren im Turm fallen die vielen Wappen auf. Um in Stiften, Domkapiteln und Ritterorden aufgenommen zu werden, mussten die Adeligen nachweisen, dass sie eine ununterbrochene adelige Abstammungsreihe nachweisen konnten, auch mütterlicherseits. Es handelt sich also um die Wappen der jeweiligen weiblichen Vorfahren.

Die Grabsteine im Turm:
Bei dem östlichen Grabmal an der Nordseite handelt es sich um den Richter und Geografen zu Vörden  und Bramsche, Johannes Amelingus Klövekorn, geboren 1662, gestorben am 2. Juni 1716, und seine Ehefrau Margaretha, geborene Schmids aus der Möhringsburg, geboren 1668, gestorben 171_. Das Jahr ist nicht mehr zu erkennen. Der Bibelspruch stammt aus 1. Korinther, 57: „Gott hat uns den Sieg gegeben“. Die Eheleute Klövekorn haben unserer Gemeinde einen Abendmahlskelch gestiftet. Leider ist diese Grabplatte an vielen Stellen abgetreten und die Schmuckelemente sind nicht mehr genau zu erkennen.

 

Die linke Grabplatte an der Nordseite zeigt Heinrich von Langen, der Gut Sögeln 1590 erwarb, und seine Frau Helena von Langen, geborene Aswede, beide in betender Haltung.
Heinrich von Langen ist in seiner Ritterrüstung dargestellt. Seinen Helm, seine Handschuhe und sein Schwert hat er abgelegt. Diesen Schutz braucht er nun nicht mehr.
Seine Frau präsentiert sich in ihrem Sonntagsstaat – langes Gewand, Stola und Halskrause.
Als Jahreszahl ist nur noch die 1616 zu erkennen. Aus anderen Quellen wissen wir, dass beide im Jahre 1616 kinderlos starben und sie in ihrem Testament verfügt hatten, dass der Neffe von Heinrich, Adam von Langen, die Nichte von Helena, Helene von Aswede, heiraten und das Gut erben sollten. Die geistliche katholische Behörde allerdings verweigerte die Eheschließung: zum einen wegen der Verwandtschaft im dritten oder vierten Grade, zum anderen, weil beide lutherisch waren. Sie sollen aber trotzdem zusammen gelebt und dann nach dem Einzug der Schweden in Osnabrück im Jahre 1633 geheiratet haben.
Der Bibelspruch auf dieser Grabplatte kommt aus Johannes 3, 16: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“

Der nächste Grabstein, rechts an der Westwand des Turms, ist der Grabstein von Hinrich Adam von Langen, gestorben 1652, und seiner Frau Helena, geborene Aswedde, gestorben 1653. Einer ihrer Grabsprüche stammt aus Hebräer 13, 14 und lautet: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Der andere ist aus Psalm 90, 10: „Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe“.
In der Mitte dieser Grabplatte sind die beiden Wappen des Ehepaares zu sehen. 16 Wappen rahmen den Grabstein ein. Dabei handelt es sich wiederum überwiegend um die Wappen der weiblichen Vorfahren des Ehepaares, die deren ununterbrochene adelige Abstammung beweisen sollen.

Ein weiterer Grabstein aus der Familie von Langen ist ganz links angebracht. Hier sind die Wappen der Eheleute oben zu sehen.  

Joachim Henrich von Langen ist der Sohn von Sibille Agnese, geborene von Westerholte, die bei seiner Geburt 1660 verstarb. Gestorben ist Joachim Henrich von Langen im Jahre 1722. Seine Ehefrau Judith Sybilla von Schele ist im Jahr 1662 geboren und starb am 2.Januar 1716.
Auffallend an diesem Grabstein ist, dass im Mittelpunkt nicht nur die Lebensdaten der Eheleute zu lesen sind, sondern auch der Stand und die Titel von Joachim Henrich von Langen aufgeführt sind.

Zwischen diesen beiden zuletzt aufgeführten Grabplatten der von Langen unter dem großen runden Turmfenster befindet sich die Grabplatte von Dietrich Georg von Varendorf, geboren am 13. Mai 1642, gestorben am 22. Dezember 1711, Erbherr von Haus Rieste und seinen beiden „Eheliebsten“ – wie auf dem Grabstein zu lesen ist: Jacobina Elisabetha, geborene von Monsbruch, geboren am 16. September 1660, gestorben am 24. März 1688, und Regina Elisabetha, geborene  Klovekorn; von ihr sind die Lebensdaten nicht mehr lesbar.
Auch auf dieser Grabplatte sind die Wappen ihrer Familien zu sehen. Und auch diesen drei Personen sind Bibelsprüche zugeordnet. Psalm 31, 6 für Dietrich Georg: „In deine Hände befehle ich meinen Geist; denn du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott.“ Für die beiden Ehefrauen ist ein Spruch aus 1. Korinther 6, 14 ausgesucht worden: „Gott wird uns auferwecken durch seine Kraft.“

An der Gestaltung der Grabplatten sehen wir, wie wichtig die Familie, die Sippe, gerade für die adeligen Personen in der Vergangenheit war. Bemerkenswert aber ist auch, dass auf allen, außer auf einer Grabplatte, Trost- und Segensworte aus der Bibel zu finden sind. So erzählen die Grabsteine uns Lebensgeschichten. Und ähnliche Lebensläufe und Schicksale gab und gibt es aus allen Bevölkerungsschichten bis heute, auch wenn sie nicht wie hier auf den Grabplatten festgehalten wurden.